Stuttgarter Zeitung vom 14.06.2006

Wer baden will, muss seine Badehose daheim lassen

NUDISTEN Seit einem Jahr genießen Stuttgarts FKK-Anhänger den Natursee im Ramsbachtal

Hoffeld/Birkach. Wer seine neueste Bademode präsentieren möchte, ist an dem Natursee im Ramsbachtal fehl am Platz. Denn dort genießen die Gäste das Idyll im Naturkostüm. Vor einem Jahr wurde der FKK-See eingeweiht.

Von Bäumen und Sträuchern umringt, liegt versteckt im Ramsbachtal das Gelände des Vereins Bund für freie Lebensgestaltung (BffL). Auf einem Hektar verteilen sich eine Boule-Bahn, Volleyballplätze, Spielgeräte für Kinder, ein Grillplatz und ein kleines Basketballfeld. In der Mitte des Geländes ruht das Schmuckstück des Vereins, der Natursee, mit dem sich die Vereinsmitglieder vor einem Jahr einen Wunsch erfüllt haben. Das Gelände des BffL ist ein Paradies für Sportbegeisterte und Naturliebhaber. Doch nicht jedermann hat Einlass zu dem Idyll. Dieser ist den Freunden der Freikörperkultur vorbehalten.

Das Gelände zwischen Hoffeld und Birkach gehört bereits seit dem Jahr 1968 den FKK-Anhängern. Seitdem können sie dort befreit von lästiger Kleidung Sport treiben oder faul in der Sonne liegen. Was fehlte war ein See. Der wurde im vergangenen Jahr gebaut und im Juni 2005 schließlich eingeweiht. Die Nudisten nutzen den See gern und viel zum Abkühlen in den heißen Monaten. Ein Filtersystem mit vier Pumpkreisläufen sorgt dafür, dass das Wasser, das aus der Leitung der Bodensee-Wasserversorgung fließt, immer sauber bleibt. Alle zwei Wochen untersucht das Gesundheitsamt Wasserproben, mit guten Ergebnissen. "Das liegt daran, dass wir nackt schwimmen", sagt der Vereinsvorsitzende Ralf Ücker, "denn an der Badekleidung bleiben eher Schmutzpartikel hängen."

Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Ücker in seiner Freizeit lieber auf Kleidung verzichtet. "Eine nasse Badehose ist einfach unbequem", sagt er, "ohne fühlt man sich gleich befreiter." Auch der Sinn für Gleichheit ist bei den Vereinsmitgliedern ausgeprägter. Auf dem Gelände im Ramsbachtal sind alle nackt wie Gott sie schuf und somit sind auch soziale Unterschiede aufgehoben. "Niemand kann sich durch Kleidung hervorheben", sagt Ücker, "wir akzeptieren die Leute so, wie sie sind."

Der Gedanke scheint für zunehmend mehr Leute attraktiv zu werden. Galt es früher als verpönt nackt zu baden, ist die Toleranzschwelle heutzutage niedriger. Zumindest der BffL kann sich über zu wenige Mitglieder nicht beklagen. Derzeit zählen sie in Degerloch rund 200 FKK-Freunde. "Etwa 20 neue Mitglieder haben wir in diesem Jahr", sagt Ücker. Und der Sommer habe schließlich eben erst begonnen. 710 Mitglieder hat der BffL insgesamt. "Dabei halten sich die Älteren und die Kinder die Waage."

Wer sich nicht sicher ist, ob Nacktheit seine Sache ist, kann das Kleinod an drei Tagen testen. Danach entscheiden die Gäste, ob ihnen der Besuch am Badesee eine Vereinsmitgliedschaft wert ist. Doch nicht nur die Interessenten haben so die Möglichkeit, sich ein Bild zu machen. "Wir schauen uns die Leute natürlich genau an", sagt Ücker. Die Aufnahme in den Verein durch den Vorstand ist Formsache. Wenn der jedoch den Eindruck hat, dem Interessenten geht es nicht ums Baden, sondern darum, seine Schaulust zu befriedigen, lehnt das Gremium ab. Sorge vor Voyeuren müssen die Vereinsmitglieder aber kaum haben. "Außer ein paar Jugendlichen, die versucht haben durch den Zaun zu schauen, hatten wir noch keine Vorfälle solcher Art", sagt Ücker. Und einfach auf das Gelände spazieren, kann niemand. Denn erst, wer das große Stahltor am Eingang passiert hat, ist angekommen, im kleinen Idyll, in dem nur eine Bademode angesagt ist - das Naturkostüm.

INFO: Weitere Informationen über den Verein, das Gelände und Mitgliedschaften stehen auf der Internetseite www.bffl-stuttgart.de. Telefonische Auskünfte gibt es unter der Nummer 47 55 55 täglich von 11.00 Uhr an.

Text und Bild von Kathrin Thimme